EVA – erste weise Frau der Welt

Maria Porten
EVA – erste weise Frau der Welt 2015

für Sopran, Vc, Harfe, Kl (2015)
Text: Ariane Braml


Uraufführung

25.3.2015, Zürich, Predigerkirche

Mitwirkende:
Anna Herbst, Sopran
Corinne Kappeler, Harfe
Ioanna Seira, Violoncello
Miranda de Miguel, Klavier




Dauer

12m



Werkkommentar

Überlegungen zum Programm "Hexen"/"Hexenzauber". Die Hexen in unserem Programm sind entweder junge, schöne Nixen ohne Seele, die durch die Liebe eines Mannes zu Menschenfrauen werden möchten, die aber, da das meistens nicht gelingt, sich selbst und allen Männern Unheil bringen müssen (Loreley, Rusalka, Melusine); oder es sind hässliche Zauberinnen wie die Märchenhexe von Hänsel und Gretel: böse, lügnerisch und Kinder fressend. Dann gibt es noch die wilden Walpurgisnacht Tänzerinnen, die sich an bestimmten Orten treffen, um sich ihrem Rausch hinzugeben. Zu einer Hexe gehört, dass sie mit übernatürlichen Kräften begabt ist und über besondere Kenntnisse der Natur und ihrer Geisterwesen verfügt. Dieses Wissen kann sie zum Verderben der Menschen anwenden, aber auch um ihnen zu helfen. Das Wort "verzaubern" enthält den positiven und negativen Aspekt ihres Tuns. In beiden Fällen waren die Hexen schon immer den gesitteten Bürgern unheimlich. In unseren Gegenden glaubte man die Wahrsagerinnen und Kräutermischerinnen mässigen zu können, indem man sie christianisierte. Wenn sie trotzdem von ihren magischen Handlungen nicht abliessen, wurden sie bestraft. Im schlimmsten Fall schickte man sie in die Flammen. Bereits bei 2 Mose 22,17 heisst es: "Du sollst die Zauberinnen nicht am Leben lassen"; und 1975 wurde die Feministin Emma Bonino, nachdem sie das Informationszentrum für Sterilisation und Abtreibung gegründet hatte, vom Papst als Hexe bezeichnet. Zum neuen Stand der Hexenverfolgung: Amnesty International berichtet über fünfzig öffentliche Tötungen von angeblichen Vertreterinnen der Schwarzen Magie (Sorcery) im Juni 2008 auf Papua Neuguinea, und am 15.4.2013 war in der NZZ von der Enthauptung einer "Hexe" und der Verbrennung einer 20jährigen der Hexerei verdächtigen Mutter zu lesen. Beides geschah öffentlich, im Februar und April dieses Jahres, ebenfalls auf Papua Neuguinea. Widerstand gegen diesen Wahnsinn bezeugt das "Tremate, tremate, le streghe son tornate (Zittert, zittert, die Hexen kommen)", mit dem die Frauen überall auf der Welt das Schimpfwort auf ihr Banner schreiben, um gegen Verfolgung und Vergewaltigungen auf die Strasse zu gehen.

EVA - erste weise Frau der Welt. In den vielfältigen Harfenzauber fällt der Beginn von EVA. Die nur halbminütige lärmige Einleitung von Cello und Klavier führt schnell ins "al niente" und macht Platz für das Graduale Beatus Servus (Matth 24, Vers 49), das nach der originalen gregorianischen Melodie von einer männlichen Stimme ab Tonband gesungen und bei der Wiederholung von einer zweiten männlichen Stimme in Form eines Organums sekundiert wird. Später tauchen störende Elemente eines ebenfalls vom Tonband erklingenden Cellos auf. Das Cello fährt dann live fort und spielt zusammen mit dem Klavier den Einleitungsteil noch einmal, um nach einer Variante in den eigentlichen Hauptteil für die Sängerin einzuführen. Mit sicherem Auftreten trägt diese die eigentliche Botschaft des Stücks vor, nämlich, dass die Eva des Alten Testaments als die erste weise Frau der Welt zu gelten habe, nicht trotz, sondern wegen des Sündenfalls, eine Frau, die sich dem Befehl des Schöpfergottes widersetzte und es wagte, eine Frucht vom verbotenen Baum zu pflücken, weil sie sah, "dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte." (1 Mose, 3.6). Das Strafgericht Gottes wirkt ernüchternd, vor allem der zweite Teil: "dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, aber er soll dein Herr sein" (1. Mose 3.16). Die Sängerin, Braml/Portens Berichterstatterin, vermittelt diese Situation fast auf eine schnippische Art. Verärgerung kommt zum Ausdruck, wenn die Autorin gleich das ganze Paradies als entwicklungsfeindlichen Machopark deklariert und behauptet, es sei doch allein Eva gewesen, die uns späteren Menschen das lebenslange "Festsitzenbleiben als blöde Kinder" erspart habe. Gott hat die Frau als EVA erschaffen: rebellisch, mutig, mit Lust am Klugwerden, hoch über jeder Dienermentalität. Gott schuf die Frau, die in den Apfel biss! Die Musik versucht EVA, durch eine melodische und harmonische Komposition in aktiven 12-Ton-Systemen zu gestalten und mit einem unfeierlichen Rhythmus lebendig werden zu lassen.

Zu EVA gehört ein Orgelnachspiel. Die Orgel nimmt die Themen von EVA neu auf: die Gregorianik, die cellistische Schlange und nach einem energetischen Aufschwung auch den Lobgesang auf EVA - die erste weise Frau der Welt.

(M. Porten)





Partitur
ZU ERGÄNZEN






 


Flyer der Uraufführung 2015




Ariane Braml