Beim Hut des
Hermes
Beim Hut des Hermes 2013
für Sopran, Vc, Harfe (2012/13)
Text: Ariane Braml
1. Hexenlied, 1m30
2. Träumerei unter Wasser, 2m30
3. Beim Hut des Hermes, 2m
4. Hexeneinmaleins, 2m
5. Der Rabe, 2m
6. Dichter Nebel, 3m
Uraufführung
14.5.2013, Zürich, Alte Kirche Wollishofen
Mitwirkende:
Anna Herbst, Sopran
Isabelle Imperatori-Steinbrüchel, Harfe
Romana Kaiser, Violoncello
Gesamtdauer
13m
Werkkommentar
Überlegungen
zum Programm "Hexen" (2013).
Die Hexen in unserem Programm sind entweder junge, schöne Nixen ohne Seele, die durch die Liebe eines Mannes zu Menschenfrauen werden möchten, die aber, da das meistens nicht gelingt, sich selbst und allen Männern Unheil bringen müssen (Loreley, Rusalka, Melusine); oder es sind hässliche Zauberinnen wie die Märchenhexe von Hänsel und Gretel: böse, lügnerisch und Kinder fressend. Dann gibt es noch die wilden Walpurgisnacht Tänzerinnen, die sich an bestimmten Orten treffen, um sich ihrem Rausch hinzugeben. Zu einer Hexe gehört, dass sie mit übernatürlichen Kräften begabt ist und über besondere Kenntnisse der Natur und ihrer Geisterwesen verfügt. Dieses Wissen kann sie zum Verderben der Menschen anwenden, aber auch um ihnen zu helfen. Das Wort "verzaubern" enthält den positiven und negativen Aspekt ihres Tuns. In beiden Fällen waren die Hexen schon immer den gesitteten Bürgern unheimlich. In unseren Gegenden glaubte man die Wahrsagerinnen und Kräutermischerinnen mässigen zu können, indem man sie christianisierte. Wenn sie trotzdem von ihren magischen Handlungen nicht abliessen, wurden sie bestraft. Im schlimmsten Fall schickte man sie in die Flammen. Bereits bei 2 Mose 22,17 heisst es: "Du sollst die Zauberinnen nicht am Leben lassen"; und 1975 wurde die Feministin Emma Bonino, nachdem sie das Informationszentrum für Sterilisation und Abtreibung gegründet hatte, vom Papst als Hexe bezeichnet. Zum neuen Stand der Hexenverfolgung: Amnesty International berichtet über fünfzig öffentliche Tötungen von angeblichen Vertreterinnen der Schwarzen Magie (Sorcery) im Juni 2008 auf Papua Neuguinea, und am 15.4.2013 war in der NZZ von der Enthauptung einer "Hexe" und der Verbrennung einer 20jährigen der Hexerei verdächtigen Mutter zu lesen. Beides geschah öffentlich, im Februar und April dieses Jahres, ebenfalls auf Papua Neuguinea. Widerstand gegen diesen Wahnsinn bezeugt das "Tremate, tremate, le streghe son tornate (Zittert, zittert, die Hexen kommen)", mit dem die Frauen überall auf der Welt das Schimpfwort auf ihr Banner schreiben, um gegen Verfolgung und Vergewaltigungen auf die Strasse zu gehen.
Beim Hut des Hermes.
Hexenlied. Ein schönes Naturbild mit Birken auf Rieden, die, zeitlos im Rund, leise rauschend sich wiegen - doch das alles über Schauer und Schlund. Als schlichtes Volkslied ertönt das Bild, aber ruppige Sprünge und Rhythmen im Cello markieren die gefährliche Hexenwelt.
Träumerei
unter Wasser. Die unendliche Fülle der
Wassertiere schaukelt und spiegelt. Das Cello lässt
den Zauberton weiter Meeresgärten erspüren, zuerst
als immer wiederkehrendes tiefes E, dann als
Naturtonreihe. Die Harfe mit ihren glitzerndes
Arpeggios und die Sopranistin in obertonreichem
Pianissimo ergänzen das zarte Schwingen.
Beim Hut des
Hermes. Hermes ist ein Sohn des Zeus und sein
Bote. Er beschützt Reisende - auch Händler und
Diebe. Hermes trägt Flügel an Schuhen und Hut und
besitzt einen Zauberstab, er baute sich eine Lyra
aus Schildkrötenpanzer und liebt die Poesie. Er ist
ein Schelm und Spötter, voll Fantasie, Schalk und
Witz. Wer beim Hut des Hermes schwört, bekennt sich
zu einer kreativen Leichtigkeit des Seins. Sopran,
Harfe und Cello beginnen mit einem Tango und
animieren sich dann gegenseitig zu witzigen Motiven
und holen seltsame Klänge herein.
Hexeneinmaleins.
Die Hexen treiben ein wunderbares Spiel mit uns:
Harte Zungen schmelzen wie Schnee, Zwerge werden
Berge - toll ist das - nur leider stimmt es nicht.
Die Dichter, die von solchen Wundern erzählen,
lügen. Und das Knusperhäuschen unserer
Kinderalpträume wird von der Hexe nur als List
benutzt, um Hänsel und Gretel anzulocken und nachher
im Ofen zu braten. Eine Hexe hext nie ohne List. Und
wenn sie das behauptet, kann man nur sagen: "Reime
haben kurze Beine". Die Musik übertreibt die Lügen
mit Tonmalerei.
Der Rabe. Diesem
Vogel werden magische Fähigkeiten zugesprochen: er
könne den Tod voraussagen mit seinem unheimlichen
Krächzen. Doch Achtung, er ist eitel und liebt zu
bluffen. Das Cello basiert auf dem originalen G des
Raben und dem Rhythmus seiner Rufe und lässt sich
damit immer wieder hören. Und es imitiert das stolze
Schlagen der grossen schwarzen Flügel. Dem
Schwarzseher Tod wird ein kurzes Tutti Pathos
erlaubt.
Dichter
Nebel. Die Welt ist aus den Fugen: auf
Charons Fahrt ist kein Verlass, die Märchenfiguren
wie Hänsel und Gretel sind nicht mehr da, der Ofen
ist aus; aber doch gellt und brennt etwas darin.
Hier zeigt die Harfe, wie vieler auch harter
Klangfarben sie mächtig ist: Mit brussements éoliens
und diffusen Akkorden zeichnet sie dichten Nebel,
mit den starren Klängen der sons métalliques den
leeren Ofen, mit Pedalglissando unterstützt sie
ebenso wie die springenden Cello-Tremoli das
gellende Schreien der Sopranistin zur Darstellung
des bösen Märchens Hexe Welt.
(M. Porten)
Partitur ZU ERGÄNZEN



Ariane Braml

Kritik und Ankündigung von
Ines Bauer und Eva Caflisch
Zürich 2, Mai 2013


Manuel Nägeli über das Hexen-Konzert in Wetzikon,
erschienen
im Zürcher Oberländer vom 23.01.2014

