Oh Vielgeliebte! /
Leporello
Oh Vielgeliebte! / Leporello, 2011/2016
Fassung (Oh! Vielgeliebte) für S, Ms, Bar, Klavier und Elektronik (2011)
Fassung (Leporello) für S, T, Klavier und Elektronik (2016)
Text: Walter Studer
1. Mein Platz
2. Befindlichkeit
3. Liebestodheit
4. Sehnsucht
5. Oktobergold
6. Helden
7. Vorbei
8. Oh, Vielgeliebte!
9. Frühlingskönig
10. Passagier
11. Casanova
12. Der Perfekte (Fahndung)
Uraufführung
Fassung (Oh! Vielgeliebte)
für Sopran, Mezzosopran, Bariton, Klavier und Elektronik (2011)
31.5.2012, Zürich, Theater STOK
Anna Herbst, Sopran
Jeannine Hirzel, Mezzosopran
Jonathan Sells, Bariton
Tabitha Staehli, Klavier
Wolfgang Braml, Elektronik
Gian Manuel Rau, Regie
Fassung (Leporello)
für Sopran, Tenor, Klavier und Elektronik (2016)
30.9.16, Zürich, Kirchgemeindehaus Hottingen
Anna Herbst, Sopran
Javier Hagen, Tenor
Dorottya Marosvari, Klavier
Ulrike Mayer-Spohn, Elektronik
Gesamtdauer
50m
Werkkommentare
In den 12 Liedern
begegnen wir in MEIN PLATZ der Tragikomik einer im
Kaffeehaus ausgetragenen Gewohnheitsneurose, die allerdings
manch einer Lebenssituation in übertragener Bedeutung
Ausdruck gibt. Darauf tritt uns in unmerklich gesteigerter
Dosis das kalte Entsetzen BEFINDLICHKEIT entgegen, das die
progressive Depression eines absolut wachstumsorientierten
Managers aufzeigt, und wir müssen uns vor der unfasslichen
Seelenqual von LIEBES-TODHEIT schützen, um nicht selbst
getroffen zu werden. In SEHNSUCHT finden wir uns
konfrontiert mit der ewigen Hoffnung, die mit keinem Begriff
erfasst werden kann, die uns kaum je zuteil wird und doch im
Halbbewussten unser Sein bestimmt. Lassen wir uns von
OKTOBERGOLD unser Gemüt und unsere Ahnung von ganz Anderem
streicheln, um vor allem Widerspruch gewappnet zu sein und
um ihn fröhlich leben zu können. Wagen wir also die Reise in
die Gewölbe unserer Seele, in denen - wie Augustinus lehrt -
alles zu finden ist, was der Mensch in der weiten Welt zu
finden glaubt und begegnen wir in HELDEN einem modernen
Vertreter der uralten männlichen Beziehungsunfähigkeit, der
sich, und den Frauen als Beutestücke männlichen Eigen-Wahns,
ein Schandmal setzt und der sich im Gunman des Westernfilms
wiedererkennt. Und treffen wir in VORBEI alsogleich eine
starke Frau, die sich von solcherlei Männerherrlichkeit
endlich zu emanzipieren weiss. Geniessen wir nun das
vieldeutige von sexueller Minne und Erfüllung bis zu
transzendenter Verwirklichung oszillierende Rätsel in OH
VIELGELIEBTE und geben wir uns anschliessend dem süss-zarten
Schmerz der Liebeslust und Liebesleid zum Bouquet bindenden
FRÜHLINGSKÖNIG hin, um so gefestigt in DER PASSAGIER die
unspektakuläre Lebenswirklichkeit eines von Tag zu Tag dem
Ende entgegen gehenden Lebensstromes zu erleben. Erholen wir
uns schliesslich im Loblied auf den wahren CASANOVA, bei dem
Gegenhelden und Meister der Schmetterlinge im Bauch, der ein
wirklicher Frauen-Versteher, weil lebensweiser
Menschenfreund und wahrer Liebender ist. Solcherart
vorbereitet, geniessen wir zum Schluss die augenzwinkernde
Weisheit im Konjunktiv hoch drei in PERFEKTER MANN und
hoffen also, dass wir fürderhin vor der ewig zu hohen
Erwartung die wir stets an uns stellen, einigermassen
geschützt seinen - ohne allerdings je die Hoffnung zu
verlieren. Diese doppelt-lyrischen Reisen in den Kunsträumen
der Komponistin Maria Porten und des Lyrikers Walter Studer
sind nicht zuletzt schon im Zusammenwirken der beiden
Künstlerpersönlichkeiten höchst anspruchsvoll, originär und
deshalb wohl nachhaltig trendfrei.
(Walter Studer)
Zwölf alltägliche Geschichten. Der Text ist
einsehbar, die Musik verständlich. Die Elektronik arbeitet
meistens mit
bekannten Geräuschen und Klangsymbolen. Und doch passiert es gerade
auf oft begangenen Wegen, dass man stolpert,
stillhalten muss und zu neuen Einsichten kommt.
1. Mein
Platz. Wer beansprucht da so wütend seinen
angestammten Platz? Die Musik ist mit kleinräumigen
oder gespreizten Figuren und wilden
Sprüngen gespickt. Dann auch noch Suhlen
im Selbstmitleid! (Brontosaurus Wail und
Sea Lion Barks.)
2.
Befindlichkeit.
Alltag eines Managers: Fährt durch
den Verkehr - Hektik im Büro. Eine Präparation im Flügel
lässt zwei Töne
scheppern. Das etudenhafte
Getriebe hat plötzlich
Unterbrüche von seltsam
fernen Klängen. Aber warum
sich hintersinnen? Immer positiv
denken und weiter!
3.
Liebestodheit.
Kleine Mädchen
bekommen die
Frauengeschichten
ihrer Väter noch
nicht mit,
das suggeriert
das Kinderlied
auf der Spieldose.
Aber die
folgenden
herben Klänge
und die
zitternden
Tonrepetitionen
urteilen
anders. Am Schluss
ist die
Spieldose
kaputt.
4.
Sehnsucht. Das
Klavier beginnt
mit
etwas
hinkenden
Rhythmen, dann
begreift man:
ein Wort der
Liebe sollte
ausgesprochen
werden,
damit die
Seele
gesundet.
Beschwörende
Wiederholungen.
War das
wunderbare
Wort dabei?
5.
Oktobergold.
Die Sopranistin
verliert sich
in
einen Traum,
in dem das
Licht der
späten Sonne
die Welt mit
sphärischem
(ach, nur
elektronischen!)
Klängen
vergoldet,
den Wein im
Glas
zum Leuchten
bringt und die
in der Seele
gestaute
Bangigkeit
vertreibt.
Vielleicht
mündet alles
sogar in einem
herbstlichen
Saltarello.
6.
Helden. Ein
Western im TV
animiert zum
Erzählen eigener
Heldentaten.
Der Sänger
spielt sich
als Don
Giovanni auf,
die Sängerin
ironisiert
seine
Angeberei
durch
Wiederholen
seiner
Sprüche, bis
die Klamauk-Musik
in einem
Fest des
Abknallens
endet.
7.
Vorbei.
Die hier
vorgestellte
Frau hat ihren
Lebenssinn
lange darin
gesehen, von
ihrem Partner
sagen
zu können: Er
gab
mir sein
stetig Nehmen.
Dazu sparsame,
aufmerksame
Musik. Endlich
entscheidet
sie sich - bei
Clusters und
Reveal-Cristal-Klängen
- mit leiser
Ironie aber
ohne Triumph,
allein
erwachsen zu
sein.
8.
Oh, Vielgeliebte!
Der
Liebende
entflieht
einer kalten
Welt und will
mit seiner
Vielgeliebten
- das Begehren
nimmt
kosmische
Formen an - in
dem ewigen
Hall eines
unermesslich
wachsenden
H-Dur-Akkords,
vollkommen
sein.
9.
Frühlingskönig.
Ein toll
verliebtes
Paar treibt
sich um in
Berg und Tal.
Mit weiträumigen
Kapriolen
versucht das
Klavier die
Leichtigkeit
des Seins
einzufangen.
Leider ist der
schöne
Krauskopf der
Frühlingskönig,
der immer
wieder
verschwinden
muss, um an
anderen Orten
die Vegetation
zu wecken. Die
Traurigkeit
wird hörbar,
aber schon
lassen seine
Sprünge sich
wieder
erahnen.
10.
Passagier.
Öder
durchlaufende
Quintolen, zusammen
mit
elektronisch
eingespielten
Naturgeräuschen
bieten das Hörbuch
eines ereignislosen
Lebens. Kleine
Kähne landen
und entfernen
sich wieder.
Manchmal
flammt
die Hoffnung
auf, die
ersehnte
grosse Ladung
könnte dabei
sein; aber es
ist nur ein
winziges
musikalisches
Zitat, das er
empfängt.
Schliesslich
kommt das
Schiff, das
den Passagier
zum
letzten Ziel
seiner Reise
bringt.
11.
Casanova.
Ein Weiberheld
mit Glatze und
Bauch? Ja! Es
soll Männer
geben, die es
verstehen,
noch nach
vierzig Jahren
Ehe
Schmetterlinge
zu züchten.
Wir kommen
ihnen nicht
auf die
Schliche,
aber eine
leichte Musik
zieht uns in
ihren
gewohnten
Bann.
12.
Der Perfekte -
Fahndung.
Bei
der Suche nach
dem perfekten
Mann - zu den
Klängen
eines
elektronischen
Quartetts -
bleiben die
Frauen seit
Eva und Adam
im Geflecht
ihrer Träume
hängen, so wie
die
Lovestory-Melody
sich in ihren
Motiven
verliert. Eine
will ihn
einmal gesehen
haben:
Wiederholung
des elektronischen
Quartetts.
(Maria Porten)
Partitur ZU ERGÄNZEN

2. Befindlichkeit
Livemitschnitt des Konzerts zum 80. Geburtstag von Maria Porten
Zürich, Kunstraum Walcheturm, 6/2019
Livemitschnitt des
Konzerts zum 80. Geburtstag von Maria Porten
Zürich, Kunstraum Walcheturm, 6/20195. Oktobergold
5. Oktobergold
Livemitschnitt des Konzerts zum 80. Geburtstag von Maria Porten
Zürich, Kunstraum Walcheturm, 6/20195. Oktobergold
6. Helden
Livemitschnitt des Konzerts zum 80. Geburtstag von Maria Porten
Zürich, Kunstraum Walcheturm, 6/2019
7. Vorbei
Livemitschnitt des Konzerts zum 80. Geburtstag von Maria Porten
Zürich, Kunstraum Walcheturm, 6/2019
8. Oh Vielgeliebte
Livemitschnitt des Konzerts zum 80. Geburtstag von Maria Porten
Zürich, Kunstraum Walcheturm, 6/2019

Umschlagbild des Programmhefts der Uraufführung, 2012



Impressionen von der Uraufführung am Theater STOK Zürich, 31.5.2012
mit Anna Herbst, Sopran, Jeannine Hirzel, Mezzosopran, Jonathan Sells, Bariton
Tabitha Staehli und Edward Rushton, Klavier

Umschlagbild des Programmhefts der Wiederaufnahme von 2016


Impressionen von den Proben zur Wiederaufnahme von 2016 mit Maria Porten und Walter Studer


Impressionen vom Konzert zum 80. Geburtstag von Maria Porten
Kunstraum Walcheturm Zürich, 6/2019
mit Eva Nievergelt (S), Walter Prossnitz (Kl), UMS ´n JIP
